Die (Weihnachts-) Pakete-Retter: Green Convenience Success Story by HIGHEST Darmstadt

Verpasste Paketlieferungen sind ein Ärgernis für Kund:innen, ein Reputationsschaden für Händler und eine Belastung für Zustelldienste. Studien zeigen, dass weltweit jede fünfte Zustellung beim ersten Versuch scheitert. Das kostet Ressourcen, belastet die Umwelt und führt zu mehr Verkehr. Noch schlimmer wird es, wenn zusätzliche Zustellversuche oder Paketabholungen durch Kund:innen hinzukommen. Die Green Convenience GmbH aus Frankfurt hat für dieses Problem eine Lösung entwickelt: Ihre KI-gestützte Technologie „Automated Delivery Individualization“ (ADI) sagt voraus, wann Empfänger zu Hause sind – und macht feste Liefertermine überflüssig. Das Ergebnis: eine effizientere, nachhaltigere und kundenfreundlichere Paketzustellung. Mit ihrer Innovation wollen die Gründer Benjamin Dauth und Deniz Dagtekin die gesamte Zustellungsbranche verändern.

 

HIGHEST: Jeder kennt das Problem: Man wartet auf ein Paket, aber der Zusteller kommt genau dann, wenn niemand zu Hause ist. Wie löst „Green Convenience“ dieses Problem?


Benjamin: Wir haben eine Software entwickelt, die mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) die Anwesenheit der Empfänger:innen an ihren Lieferadressen vorhersagt. Durch die Analyse von anonymisierten standortbezogenen Informationen ermittelt die Software automatisch optimale Zustellzeitfenster, in denen die Wahrscheinlichkeit, dass jemand zu Hause ist, am höchsten ist. Diese Vorhersagen werden ständig aktualisiert, um sicherzustellen, dass die Pakete beim ersten Zustellversuch erfolgreich zugestellt werden. Dadurch werden wiederholte Zustellversuche vermieden, die Zustellkosten gesenkt und die Kundenzufriedenheit erhöht. 
 

HIGHEST: Warum ist die „letzte Meile“ bei der Paketzustellung so herausfordernd?


Benjamin: Ein Hauptproblem besteht darin, dass viele Pakete nicht beim ersten Versuch zugestellt werden können. Das verursacht zusätzliche Kosten, mehr Verkehr und eine höhere Umweltbelastung. Hinzu kommt, dass die Kunden immer mehr erwarten: flexible Lieferzeiten, Sendungsverfolgung in Echtzeit und einfache Rückgabemöglichkeiten. Diese Anforderungen machen die Logistik komplizierter, vor allem in Städten, wo Staus und Parkplatzmangel die Zustellung erschweren. Außerdem wird es immer schwieriger, genügend Fahrer zu finden, während der Wettbewerb in der Branche ständig zunimmt.
 

HIGHEST: Das Problem der „letzten Meile“ ist alt. Gibt es nicht schon andere Lösungen für diese Probleme?


Deniz: Natürlich gibt es Ansätze wie Paketabholstationen. Aber diese Lösungen greifen oft zu kurz. Die Menschen bestellen online, weil sie den Komfort einer Lieferung nach Hause wünschen. Abholstationen passen nicht in dieses Konzept und sind, wenn man die Abholfahrt mit einbezieht, oft nicht nachhaltiger als ein erster erfolgreicher Zustellversuch. Unsere Software geht einen Schritt weiter, indem sie genau vorhersagt, wann jemand zu Hause ist – und zwar individuell für jeden Haushalt. Die Lösung unterstützt aber auch Abholstationen. Meist ist für den Empfänger nicht die Packstation ideal, die am nächsten an seiner Adresse liegt, sondern die, die am besten zu seinem Leben passt. Unsere KI schlägt diese Abholstation automatisch vor und verkürzt den Weg, den der Empfänger zur Abholung zurücklegen muss. Das ist viel bequemer und schont die Umwelt.
 

HIGHEST: Was müssen Kund:innen tun, um von dieser Technologie zu profitieren?


Deniz: Wir bieten eine Zusatzfunktion für Apps an, die als Pop-up in den Apps von Online-Händlern und Lieferdiensten erscheint. Als Online-Besteller klickst du einmalig auf den Button „Green Convenience“ oder alternativ „Automatisierte Zustellung aktivieren“. Damit stimmst du einer personalisierten Zustellung deiner Bestellungen zu. Das bedeutet aber nicht, dass du deine persönlichen Daten preisgibst. Unsere Zusatzfunktion erstellt aus den Daten auf dem Handy die optimalen Lieferzeitfenster, ohne dass die Daten das Handy verlassen und ohne dass wir oder jemand anderes die Daten einsehen kann. Es ist eine Blackbox. Die Ergebnisse, also die optimalen Zustellzeitfenster, schlägt die Lösung dann dem Zustelldienst für die Dauer der Zustellung vor. Unsere Software ist nachweislich datenschutzkonform und zertifiziert. Wir haben beim Europäischen Patentamt Patentschutz beantragt, der nach Erteilung für ca. 200 Länder weltweit gilt.

Benjamin: Online-Händler oder auch Zustelldienstleister können die „Green Convenience“-Software einfach über die Programmierschnittstelle (API) in ihr Zustellsystem integrieren. „Green Convenience“ schlägt dann mittels KI-gestützter Analyse vollautomatisch die optimalen Lieferzeitfenster an der Lieferadresse vor. Geliefert wird einfach dann, wenn die KI es vorschlägt und die Zustellung funktioniert. Die ganze Komplexität der erneuten Zustellversuche, der Lagerhaltung und der damit verbundenen Interaktion mit dem Empfänger kann man sich sparen.
 

HIGHEST: Ihr habt euer Start-up 2020 gegründet. Welche Schritte habt ihr unternommen, um diese Lieferlogistik-Lösung zu entwickeln?


Deniz: Wir waren im Start-up-Förderprogramm des HOLM, der House of Logistics and Mobility GmbH. Im Rahmen dieses Programms lernten wir Prof. Dr. Heinz Köppl von der TU Darmstadt kennen. Ein Student aus seinem „Self Organizing Systems Lab“ hat bei uns seine Masterarbeit geschrieben und unsere Software um den Aspekt der KI erweitert. Heinz fand unsere Idee spannend und schlug uns vor, aus der Weiterentwicklung unseres Projekts ein Forschungsprojekt zu machen. Gemeinsam mit der TU Darmstadt, der HTW Berlin, verschiedenen Logistikunternehmen und weiteren Partnern haben wir die Lösung dann erfolgreich getestet.
 

HIGHEST: Welche Meilensteine habt Ihr seid Eurer Gründung erreicht?


Benjamin: Neben zahlreichen Auszeichnungen war sicherlich der wichtigste Meilenstein, dass wir rund eine Million Euro an Fördermitteln und nochmals die gleiche Summe an Investorengeldern von der BMH Beteiligungs-Managementgesellschaft Hessen und einigen Business Angels einwerben konnten. Damit konnten wir „Green Convenience“ zur Marktreife weiterentwickeln und Marketing und Vertrieb ausbauen.
 

HIGHEST: Wo seht ihr „Green Convenience“ in den nächsten fünf Jahren?


Benjamin: Jedes Jahr transportieren Logistikdienstleister und Zustellunternehmen rund 25 Milliarden Pakete rund um den Globus. Wir haben ein großes Marktpotenzial. Unser Geschäftsmodell ist schnell, kostengünstig und global skalierbar. Unser Ziel ist es, dass in Zukunft der erste Zustellversuch immer automatisch gelingt. Wiederholte Zustellversuche und Paketabholfahrten der Konsument:innen werden bald der Vergangenheit angehören. Dadurch werden Verkehr, Emissionen und Kosten reduziert und gleichzeitig das Kundenerlebnis verbessert. Verbraucher:innen werden diesen Service erwarten und voraussetzen. Mit „Green Convenience“ können wir daher einen sehr effektiven Beitrag zur nachhaltigen Transformation der Wirtschaft leisten.

Das Interview führte Heike Jüngst.